Spiel- und Turnierberichte
...bald ist Weihnachten", ist man geneigt zu seufzen. Das mit Weihnachten stimmt natürlich auch, aber wir haben hier zudem schon die 6. und damit vorletzte Runde des Troisdorf Opens zu besprechen. Bekanntermaßen sollte es dort zum Showdown zwischen Harald und Martin kommen. Wie ernst Martin dabei trotz des deutlichen DWZ-Unterschieds sein Gegenüber nahm, kann man daraus ermessen, daß er tief in die Trickkiste psychologischer Kriegsführung griff und Harald damit tatsächlich eine unliebsame Überraschung bereiten konnte.
Martin erklärte hierzu: "Heutzutage findet ein größer werdender Teil eines Spiels bereits vorab zuhause statt. Mit den Engines ist Vorbereitung deutlich einfacher und wichtiger geworden, was man gut finden kann oder auch nicht - aber es gehört schlicht mittlerweile zum Turnierschach dazu. Spielt man dann noch gegen jemanden, den man sehr gut kennt – insbesondere Vereinskollegen – kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Mindgames. Schach mag ein analytisches Spiel mit objektiv besten Lösungen/Zügen sein und doch sollte man den psychologischen Aspekt nicht außer Acht lassen. Übertragen auf mein Spiel gegen Harald: Wir kennen die Spielweise des jeweils anderen sehr gut und haben noch dazu ein ähnliches Eröffnungsrepertoire. Stellt sich also die Frage, ob man sich darauf einläßt und seinen üblichen Kram abspult oder extra was Unübliches aufs Brett bringt."
Martin entschied sich für letzteres und beantwortete Haralds Königsbauernzug mit d6 statt des bei ihm sonst üblichen e6, was gänzlich andere Pläne für das Spiel beider Seiten beinhaltet. Entsprechend spielten sie Pirc statt den zwischen beiden bereits etwas ausgetretenen französischen Pfaden zu folgen. Mit Haralds 8. Zug verließen sie die Masters Database und waren fortan mal mehr, mal weniger auf sich alleine gestellt. Einen Zug später traf Harald die nächste richtungsweisende Entscheidung, sich durch kurze Rochade einem offenen Schlagabtausch an beiden Flügeln zu entziehen. Bemerkenswert war, daß beide bis zu Haralds 16. Zug
noch keinen einzigen Stein getauscht hatten. Für den neutralen Beobachter hatte das Spiel bis dahin die Anmutung zweier Boxer, die einander - gelegentlich einen halbherzigen Jab schlagend - umkreisen. Auf eine Lücke in der Deckung des Kontrahenten lauernd.
Dann faßte sich Harald ein Herz und führte eine Stellungsöffnung im Zentrum herbei, gefolgt von der beiderseitigen physischen Eliminierung des kompletten Damenflügels. Sein Zeitverbrauch war von Anfang an mehr als deutlich größer als der des bekennenden Schnellspielers Martin, welcher sein Gegenüber zudem durch die Eröffnungswahl ja etwas auf Glatteis geführt hatte, was sich wohl zusätzlich negativ auf Haralds Zeitmanagement niedergeschlagen haben sollte. Demzufolge mußte Harald dafür sorgen, daß endlich Züge auf das Partieformular kommen und bis zur Zeitkontrolle möglichst viele einfache Entscheidungen anstehen würden.
Zunächst dachte sich Martin: "Mist, das wird wieder ganz schwierig, sich einen Vorteil herauszuarbeiten, wenn Harald hier alle Klötzchen vom Brett abräumt." Erst auf den zweiten Blick erkannte er eigener Schilderung zufolge das Potential für seine Stellung. Nicht nur würde sein eingesperrter Läufer zu neuem Leben erwachen, sondern er würde Harald im weiteren Verlauf auch noch durch eine Springergabel dazu zwingen können, das Läuferpaar abzugeben.
Daß Harald wenig später ausgerechnet durch Martins Lieblingszug die Partie endgültig wegstellen würde, tat dem Ehrenvorsitzenden des f4-Fanclubs natürlich tief in der Seele weh. Martin drang mit dem Turm auf der zweiten Reihe ein und schickte sich an, den weißen König niederzustrecken. Harald versuchte noch, sich durch einen taktischen Trick einigermaßen heil aus der Bredouille herauszumogeln, doch Martins Dame entzog sich durch ein filigranes Zwischenschach dem Angriff des Springer, während sein Turm weiterhin Haralds Dame im Visier behielt. In dem Bewußtsein, dass sein Opponent es mit Mehrdame schon irgendwie hinbekommen würde, dies zu gewinnen, gab Harald auf.
Lukas bekam es mit einem Gegner zu tun, der nominell gesehen sein bislang schwierigster werden sollte. Jedoch hatten wir bereits mitbekommen, daß selbigem altersbedingt offenbar das Kämpferherz ein wenig abhanden gekommen war und er sich gegen junge, aufstrebende Spieler einem "Angsthasen-Remis" nicht abgeneigt erwiesen hatte. Es kam die Jugoslawische Variante der Königsindischen Verteidigung aufs Brett und Weiß bestimmte lange optisch das Geschehen, zumal Lukas ganz frech den angebotenen Bauern auf a2 mit der Dame tatsächlich abgeholt hatte.
In der Folge spielte Weiß aktive Züge, welche einzügig schwarze Steine (bevorzugt dabei: Lukas' Dame) angriffen, Lukas brachte selbige mit dem nächsten Zug natürlich in Sicherheit und verpaßte dem weißen Angriffsstein im Anschluß postwendend einen Tritt, sodaß dieser wieder zurückweichen mußte. Dieses Muster wiederholte sich mehrmals und Lukas konnte seine Stellung dabei Schritt für Schritt verbessern, hier und da durch einen Abtausch vereinfachen und last but not least auch noch den weißen b-Bauern "für umme" einsammeln. Mit verbundenen schwarzen Frei- und Mehrbauern auf der a- und b-Linie gab Weiß auf, als Lukas selbigen auch noch den Marschbefehl erteilte. Das wollte sich sein Gegner offenbar nicht mehr antun (lassen). Mit Weiß souverän von Schwarz überspielt zu werden, obwohl dieser über 350 DWZ-Punkte schlechter eingestuft ist, war Demütigung genug. Vielleicht wird sie im Nachgang erträglicher, wenn er der tatsächlichen aktuellen Spielstärke von Lukas bei der DWZ-Auswertung des Turniers gewahr wird.
Suad bekam mit den schwarzen Steinen das Blackmar-Diemer-Gambit vorgesetzt und ging darauf ein (bedauerlicherweise auch im übertragenen Sinne). Laut Masters Database gab es nach 5. Sxf3 nur 23% Weiß-, aber 45% Schwarzsiege (bei 32% Remisen). Dafür muß man jedoch aktives Gegenspiel suchen, um die Sinnhaftigkeit des Bauernopfers des Kontrahenten zu widerlegen. Suad hingegen versuchte, Ruhe in die Partie zu bekommen, was leider voll nach hinten losging. Erst wurde sein weißfeldriger Läufer über mehrere Züge lang herumgescheucht, während sich Suads Gegner auf dessen Kosten entwickelte, nur um am Ende doch abgetauscht zu werden und dabei auch noch die schwarze Bauernstellung zu ramponieren.
Als nächstes öffnete Suads Gegenspieler Linien im Zentrum, wo sich noch immer der schwarze König aufhielt. Selbiger wurde das nächste Opfer ständiger weißer Attacken, mußte die Idee, noch zur Rochade kommen zu können, alsbald beerdigen und sich zu Fuß in Richtung Damenflügel begeben - in der (vergeblichen) Hoffnung, dort Schutz zu finden. Wenige Züge, bevor er - aufs freie Feld zurück gezwungen - final zur Strecke gebracht worden wäre, hatte Suad Mitleid mit seinem gestreßten, von der kräftezehrenden Flucht ausgelaugten Monarchen und gab auf. Schade, daß Suad dabei dermaßen "unter die Räder gekommen" ist, aber eine schönere Rechtfertigung für ein dann und wann eingestreutes, etwas halbseidenes Gambit sieht man selten.
Silas dagegen fuhr einen letztlich ungefährdeten Schwarzsieg ein. Mit Caro-Kann eröffnend, in dem er sich bekanntermaßen ziemlich zuhause fühlt, mußte Silas einfach nur "normale" aktive Züge machen. Erst gewann er auf dem Damenflügel ein Bäuerchen, später auch noch eines auf dem Königsflügel. Zwischendrin vereinfachte er, wann immer dies der Gegner zuließ, konsequent durch Figurentausch. Im Turmendspiel mit 2 zu 1 Bauern auf dem Damen- sowie 3 zu 2 Bauern auf dem Königsflügel angekommen (jeweils zugunsten von Silas), gab sein Gegenüber auf. Er hätte sich zwar noch eine Weile "kneten" lassen können, würde aber realistischerweise nie auch nur ansatzweise Licht gesehen haben, sofern Silas nicht aus purer Flüchtigkeit ein Blunder, wie es heutzutage gerne genannt wird, unterlaufen wäre. Dieses flackernde Licht der letzten Hoffnung hatte Silas bei seinem Kontrahenten durch sein konsequentes Spiel offenkundig erfolgreich vorzeitig zu ersticken vermocht.
Wie üblich geht der Chronist zum Schluß noch auf seine eigene Partie ein. Das Schweizer System bringt es nun einmal mit sich, daß man, da idealtypischerweise von Runde zu Runde die Farbe der Steine gewechselt wird, mit einer davon eher gegen leichtere und mit der anderen eher gegen im Turnierverlauf erfolgreichere Kontrahenten gelost wird. Um das Ergebnis zu spoilern - auch meine dritte Schwarzpartie ging verloren. Hätte aber nicht so kommen müssen. Mein Gegner setzte auf das Londoner System und ich erwiderte mit einem Doppelfianchetto entlang der Modernen Verteidigung. Ich vermochte zunächst, meinem jungen Gegner nach und nach die Initiative abzuringen und in der Folge Raumvorteil am Königsflügel zu realisieren.
Da er das Zentrum selbst geschlossen hatte, bemühte sich mein Kontrahent um Gegenspiel am Damenflügel. Wie bei mir leider nicht unüblich geriet ich zunehmend in Zeitprobleme. Dadurch in meinen Möglichkeiten eingeschränkt, noch längerfristige strategische Pläne zu durchdenken, verpaßte ich die beiden sich kurz hintereinander ergebenden Gelegenheiten, nach vorübergehender Abwehr des weißen Angriffs am Damenflügel durch Ausnutzung der schwachen Grundreihe meines Gegenspielers wieder das Heft des Handelns in die Hand zu bekommen. Stattdessen ließ ich mich weiter in die Verteidigung drängen, probierte unter Materialopfer noch halbseidenes Gegenspiel zu kreieren und wurde währenddessen mit weniger als einer Minute auf der Uhr (gespielt wird ohne Inkrement!) zwei Züge vor Erreichen der Zeitkontrolle mattgesetzt.
Wohlan denn! Halali und auf zur letzten Runde!
Frank Feig
... dachte sich Martin, als sich just in dem Moment, da er nur wenige Züge vor dem Matt aufgab, mit Lukas, Silas, Suad und mir fast die gesamte am Troisdorf Open teilnehmende Truppe unseres Vereins um sein Brett versammelte, um nach Beendigung der eigenen Partien zu schauen, wie sich unser "Leitwolf" denn so schlug.
Erstmalig im Turnierverlauf gegen einen nominell stärkeren Gegner gelost (so viele stehen da ja nicht zur Auswahl), hatte sich Martin natürlich auf diesen vorbereitet. Wobei seine Vorbereitung im Grunde ganz schnell wieder abgeschlossen war, sobald er erkannte, daß sein Kontrahent ihm wohl den Trompowsky-Angriff ermöglichen würde. Den kennt Martin zur Genüge, selbiger hat jedoch zugleich den Nachteil, daß er quasi immer erst am Brett erfährt, wie der jeweilige Gegner darauf zu reagieren gedenkt. Da diese Eröffnung nicht gerade Mainstream ist, wurde jeder von Martins Gegnern in aller Regel nie oder zumindest kaum in Partiensammlungen aktenkundig damit konfrontiert.
Martins Gegenspieler zeigte sich sowohl während der Partie als auch in der anschließenden Analyse überrascht von Martins scheinbar passiver Spielweise und manch einem der schachlichen Intuition zuwiderlaufendem Zug, was jedoch samt und sonders Theorie ist. Bis einschließlich zum 21. Zug war die Stellung stets mehr oder minder ausgeglichen, dann beging Martin den spielentscheidenden Fehler. Im Bestreben, den Bauernvorstoß im Zentrum zu unterbinden, ermöglichte er diesen gerade erst. Sein Fehler dämmerte ihm sofort, als sein Gegner tatsächlich d5 zog, aber es gab leider kein Entrinnen mehr.
Im Versuch, seinem Gegner die Verwertung wenigstens so schwer wie möglich zu machen, trat Martin mit seinem König im späteren Verlauf die Flucht nach vorne an, auf daß er nicht auf ähnliche Art mattgesetzt werden würde, wie er es in der Woche zuvor noch mit Lukas gemacht hatte. Leider fand sein Gegenüber auch eine andere wunderschöne Mattkombination weiter vorne am Brettrand. Eine Leistung, der Martin als fairer Sportsmann dann auch den gebührenden Respekt zollte. Auf das Spontanpublikum hätte er trotzdem vermutlich ganz gerne verzichtet.
Harald bekam es in der 5. Runde mit einem ehemaligen Mitglied meiner Mannschaft zu tun, als ich vor meiner knapp drei Jahrzehnte währenden Schachpause noch in einem Bonner Verein mit Ferdi zusammen spielte. Er wurde von Harald denn auch als emsiger und somit sehr erfahrener Turnierspieler eingeordnet, weshalb Harald trotz seiner etwas höheren DWZ durchaus mit Respekt ans Brett gegangen ist. Auch befürchtete Harald, sein Kontrahent könnte sich anhand früherer Partien beim Troisdorf Open gezielt auf ihn vorbereitet haben (was ich, hätte er mich danach gefragt, für unwahrscheinlich gehalten hätte - und ich hätte damit richtig gelegen).
Unser "Finanzminister" hatte Schwarz und konnte sich kaum sinnvoll vorbereiten, da sein Widersacher mit Weiß je nach Laune wechselnde Eröffnungen spielt. Er hat sich in seinen Jahrzehnten als LKW-Fahrer eben in jeder Lenkpause in Schachbücher vergraben. Harald entschied sich aufgrund seiner Recherchen und Überlegungen ergo dafür, Ferdi sein Caro-Kann-Debüt in einer Turnierpartie vorzusetzen. Trotz naturgemäß noch überschaubarer Kenntnisse der Eröffnungstheorie kam Harald gut aus der Eröffnung, stand ab Zug 10 besser und gewann im 14. Zug einen Bauern, sodaß sein Gegner schon relativ früh um Ausgleich kämpfen mußte.
Nach einigen Ungenauigkeiten beiderseits hatte er den Ausgleich spätestens mit dem 32. Zug erreicht, nur um dann mit 2 Fehlern im 33. und 34. Zug die Partie komplett aus der Hand zu geben. Wenn man sieht, wie lange er hart um den Ausgleich gekämpft hatte, hat sich Caissa hier schon etwas hartherzig gezeigt, wie Harald es hinterher poetisch formulierte. Sobald Ferdi in Zeitnot (oder anderweitig unter Druck) gerät, mutiert er offenbar auch nach so langer Zeit noch immer wie früher zum Hasardeur und wirft gute Partien weg. Vier Züge später hatte Harald "skrupellos" (Haralds eigene Wortwahl!) den vollen Punkt unter Dach und Fach gebracht.
Lukas hatte in Vorbereitung auf seinen Gegner festgestellt, daß dieser als Nachziehender mit der selten gewordenen Aljechin-Verteidigung startet und zusammen mit Martin ein paar Überraschungen ausbaldowert. Sie kamen auch prompt in die angestrebte Nebenvariante, waren aber auch zügig wieder aus der Vorbereitung raus, da Lukas' Gegner sich in diesen Abspielen offenbar wenig auskannte und im 5. Zug bereits die Lichess Masters Database verließ. Sich vorab mit den entstehenden Stellungsbildern auseinandergesetzt zu haben, sollte sich dennoch nicht als vergebliche Mühe für Lukas erweisen.
Nach Lukas' Einschätzung nahm sein Gegenüber ihn offenbar ob seiner Jugend und der (deutlich veralteten) niedrigen DWZ zudem nicht ganz für voll. Während Lukas stellenweise Varianten über ein Dutzend Züge weit vorausberechnete, bevor er sich für oder gegen einen Kandidatenzug entschied, antwortete sein Gegner teilweise schon nach ein, zwei Minuten. Ein verhängnisvoller Fehler, wie er zunehmend erkennen mußte. Erst vermochte er lange nicht, Lukas' imposantes Bauernzentrum zu unterminieren (was schließlich das Kernthema der Aljechin-Verteidigung darstellt), dann wurde er von Lukas dank Raumvorteil und aktiverem Figurenspiel nach und nach an die Wand gespielt und verlor in letzter Konsequenz Material und kurz darauf die Partie. Souveräner Weißsieg!
Suad bekam, ebenfalls die weißen Steine führend, die Sizilianische Verteidigung, genauer einen "Beschleunigten Drachen" vorgesetzt. Im 15. Zug machte der Schwarzspieler unerwartet eine Kombination möglich, durch welche Suad vermittels eines Zwischenschachs eine Leichtfigur für einen Bauern bekam - er nahm das Geschenk dankend an. Sein Gegner bemühte sich nun vehement um Gegenspiel und es gelang ihm, nicht zuletzt infolge Suads Schwäche auf der Grundreihe, Suads "Steine" in immer unkomfortablere Positionen zu nötigen. Am Ende geriet Suads Springer in eine Fesselung und Suad war seinen Vorteil wieder quitt bzw. lag sogar einen Bauern hinten (es war jedoch ein Doppelbauer). Suads Gegner wickelte dann nicht wirklich nachvollziehbarerweise durch Abtausch in ein reines Bauernendspiel ab, das dann plötzlich wieder für Suad gewonnen war. Das vermochte unser "Küken" beim Troisdorf Open dann letztendlich ohne gröbere technische Fehler sauber zuende zu bringen und ebenfalls einen Sieg einzufahren.
Silas hatte sich vorgenommen, in den letzten drei Runden - beginnend mit dieser - das Feld endlich von hinten aufzurollen. Der nicht wesentlich schlechter als Silas eingestufte Gegner (Setzlistenplatz 46 gegenüber 36 für Silas) hatte in der ersten Runde gegen Martin verloren, in der zweiten - deutlich überraschender - ebenfalls das Nachsehen gehabt und sodann zweimal kampflos verloren. Es gab ergo keinen Grund, daß Silas seinen Kontrahenten unterschätzen hätte sollen. Prompt unterlief Silas, als er mit Weiß im Mittelspiel das Heft des Handelns in die Hand nehmen wollte, der erste Lapsus des Spiels. Anstatt sich mittels einer mehrzügigen Kombination Materialvorteil zu sichern, begnügte sich Silas' Gegenüber jedoch glücklicherweise mit einer bloßen Figurentauschaktion.
Silas zentralere Figurenpositionierung und sein aktiveres Spiel führten im weiteren Verlauf dazu, daß sich sein Kontrahent mit einem Doppelfehler in Zug 20 und 21 positionell schwächte, sowie Silas - dies ausnutzend - materiellen Vorteil erlangen und gleichzeitig substantiell vereinfachen konnte. Letztendlich machte Silas durch eine schöne Kombination unter kräftiger Mitwirkung des solchermaßen entstandenen und sodann bis zur 7. Reihe vorgestoßenen d-Freibauern den Ambitionen seines Gegners den Garaus. Dieser wollte sich die Verwertung des ausreichenden Materialvorteils im Endspiel dann nicht mehr von Silas zeigen lassen und hißte die weiße Fahne. Silas angekündigter Endspurt hat also schon mal erfolgversprechend begonnen.
Bleibt noch, über meine eigene Partie zu berichten. Ich bekam es just mit jenem Spieler zu tun, welcher in der Runde zuvor Silas mit seinem aggressiven Königsüberfall-Schachstil erst überrumpelt und dann regelrecht überfahren hatte. Entsprechend besonnen ging ich - die weißen Steine führend - ergo zu Werke. Wir hatten bald ein Königsfianchetto mit dem ECO-Code A00 auf dem Brett, in welchem diverse seltene Aufbauten zusammengefaßt werden, die keine eigene Nummerierung abbekommen haben. Während ich mit einer Art Königsindisch-Aufbau mit Weiß lauerte, kam mein Kontrahent auch prompt wie erwartet mit seiner Streitmacht alsbald ein wenig überhastet am Königsflügel angerannt.
Beherzt opferte er seinen Springer, um die h-Linie auf meine Rochadefestung aufzureißen, und genauso kaltblütig verstopfte ich selbige postwendend mit dem eigenen Pferdchen - bereit, dieses umgehend zurückzugeben, auf daß mein Gegenüber seinen Angriff durch eigene, d.h. schwarze Bauern möglichst bald wieder ziemlich blockiere, während ich dann perspektivisch im Zentrum Gegenspiel gegen seinen unrochierten Monarchen zu inszenieren gedachte. Er war wie schon gegen Silas deutlich verspätet in Troisdorf eingetroffen und zog daraufhin, um Zeit gutzumachen, überaus fix. Insgesamt würde er für seine gesamte Partie 19 Minuten verbraucht haben, dieweil ich derer 42 investierte.
Da verwundert es wenig, daß er im 12 Zug fehlgriff und mir im Bestreben, seinen aktiven schwarzfeldrigen Läufer zu behalten, ermöglichte, meinen für seinen Springer hergegebenen Bauern zurückzugewinnen und ihn von g5 aus dauerhaft an der angestrebten heterogenen Rochade zu hindern. Ich öffnete sodann im Zentrum und blies zur Jagd auf seinen noch immer dort weilenden Monarchen. Dame und Läuferpaar erledigten die Aufgabe zügig und einen Zug vor dem unausweichlichen Matt gab mein Gegner durchfrustriert auf. Daß ich mal in einer Turnierpartie eine 23-Züge-Miniatur auf das Brett zaubere, an deren Ende nicht ICH der unterlegene Part sein würde, hat mehr als nur Seltenheitswert.
Mit einer bedauerlichen Ausnahme haben in Runde 5 folglich alle Hennefer Teilnehmer zufrieden mit einem vollen Punkt im Gepäck die Heimreise antreten können. Martin, Harald und Lukas stehen nun bei 3 Punkten aus 5 Runden, Suad und ich zählen derer 2,5 und Silas hat auch endlich seinen ersten Punkt auf der Habenseite. In Runde 6 wird es leider zum nächsten vereinsinternen Showdown kommen, denn an Brett 9 wird dann Martin mit Schwarz von Harald mit Weiß herausgefordert werden. Ich sehe schon förmlich das Elmsfeuer über den Figurenspitzen flackern.
Frank Feig
Die Rede ist von Martin in der 4. Runde des Troisdorf Opens. Und, nein, dies ist keine Anspielung auf sein Alter aus Sicht unserer teilnehmenden Jugendspieler (ich sage nur "Doppelherz, die Kraft der zwei Herzen"). Der Titel des heutigen Beitrags bezieht sich ausschließlich auf diesen merkwürdigen Zwiespalt zwischen Hoffen und Bangen, wenn man als Jugendtrainer gegen die eigenen Eleven zu einer echten Turnierpartie antritt. Einerseits will man natürlich gewinnen (Martin sowieso) und dafür braucht es schlicht und ergreifend Fehler des Gegenübers. Andererseits hofft man zugleich auch jedes Mal, daß die Jugendlichen möglichst perfekte Partien aufs Brett bringen. "Jetzt weiß ich mal, wie es meinem eigenen Jugendtrainer seit Jahren ergeht", seufzte Martin nach seiner Viertrundenpartie gegen Lukas.
Die beiden hatten sich im Vorfeld gewissermaßen zum Theorieduell im Trompowsky-Angriff verabredet. Offensichtlich hatte Lukas sich sehr gut auf diese Leib- und Magen-Eröffnungen Martins vorbereitet, denn beide blitzten die Eröffnung nur so hin und landeten in einer der sehr spaßigen (Originalton Martin) – weil zweischneidigen – Varianten. Bis zum neunten Zug von Schwarz folgten beide der Eröffnungsdatenbank, dann wich Lukas mit a6 ab. Kein Zug, den man üblicherweise braucht, und folglich ein latenter Tempoverlust, wie Martin im Anschluß analysierte.
Anschließend spulten beide wieder die normalen Eröffnungspläne ab, allmählich jedoch streuten beide Seiten kleinere Abweichungen ein. Sie verfolgten offenbar divergierende Pläne. Martin griff in der Folge im Zentrum an und Lukas suchte das Spiel am Damenflügel. Knackpunkt der Partie war letztlich, daß Lukas sich gegen ein temporäres Bauernopfer entscheid und Martin dadurch das Eindringen mit allen drei Schwerfiguren entlang der vorletzten Reihe erlaubte, womit Matt bzw. Damenverlust unvermeidlich wurden. Im Bewußtsein, daß das Spiel nun bald so oder so entschieden sein würde, ließ Lukas sich lieber gleich mattsetzen.
Harald und sein Gegner brachten das Schottische Vierspringerspiel aufs Brett. Mit weitestgehend gradlinigem Spiel stand Harald stets ein wenig besser, auch wenn er den ersten gröberen Schnitzer seines Gegenübers noch ungenutzt durchgehen ließ. Nach weiteren kleinen Ungenauigkeiten von Schwarz wurde das weiße Läuferpaar immer stärker und beginnend mit seinem 15. Zug ging Harald damit auf Qualitätsfang. Entscheidend war letztlich, daß sein Gegner im 18. Zug freiwillig ein Turmpaar abgetauscht hat, was in der Stellung nicht sonderlich hilfreich war (außer für Harald natürlich).
Als er nach einer Läufergabel unseres "Finanzministers" auf e7 laut Engine als beste Option mit Turm und Springer gegen Dame (plus in der Folge zusätzlich noch zwei weißen Mehrbauern) weiterspielen hätte müssen, gab Haralds Kontrahent die Partie auf. Den Rest wollte er sich nicht mehr zeigen lassen, obwohl die finale Verwertung des materiellen Vorteils schon noch einiger Arbeit auf Haralds Seite bedurft hätte.
Silas Gegner kam deutlich verspätet ans Brett und zog in der Folge stets überaus zügig. Nach 1. ...f5 hatte Silas wunschgemäß die Holländische Verteidigung aufs Brett gebracht, landete jedoch im weiteren Verlauf nicht wirklich auf ihm bekanntem Terrain. Sein Kontrahent setzte ihn kontinuierlich weiter unter Druck, rochierte gegenläufig und ging seinem auch in früheren Partien beim Troisdorf Open bereits gezeigten Spielstil gemäß hyperaggressiv zum Königsangriff über. Silas ließ sich auf diesen offenen Schlagabtausch ein und übersah dabei im 19. Zug eine Taktik-Falle seines Gegners. Dieser opferte anschließend eine Qualität zwecks Eliminierung des "Feldwächters", um direkt im Anschluß via Familienschach Silas' Dame erobern zu können. Ab da wehrte Silas sich nur noch ohne realistische Aussicht auf Gegenspiel geschweige denn Erfolg bis zum Matt im 38. Zug. Fazit: Maximal unglücklich gelaufen.
Suad hatte sich durch seine bislang gezeigten Leistungen ein Duell mit den schwarzen Steinen gegen den 7. der Setzliste "verdient". Bis einschließlich seines 16. Zuges wandelte er auf Theorie-Pfaden der Königsindischen Verteidigung, genauer deren Orthodoxer Variation (Gligoric-Taimanow-System), dann wich sein erfahrener Gegenspieler von den letzten verbliebenen Vorgängerpartien der Datenbank ab. Suad hatte sich durch mehrere kleinere Ungenauigkeiten da jedoch bereits in eine nachteilige Position manövriert. Er suchte zwar das thematische Spiel am Königsflügel, doch Weiß beließ seinen Monarchen einfach in der Mitte, sodaß unserem jüngsten Hennefer Teilnehmer am Troisdorf Open mangels Zielperson der Angriff schlicht versandete.
Sein Gegner hingegen nutzte seinen Raumvorteil am Damenflügel, um über die c-Linie ebenfalls ziemlich plangetreu in die schwarze Stellung einzubrechen. Nachdem er dabei zudem noch die Basis der schwarzen Bauernkette auf d6 eliminiert hatte, besaß er in der Folge noch einen gedeckten Freibauern auf d5 als weiteren Trumpf. Zudem mit weißem Turm auf der 7. Reihe und aktivem weißem Läuferpaar bei gleichzeitig offenem schwarzen König und höchst passiven Figuren des Nachziehenden konfrontiert, sah unser mit lobenswerten Ambitionen in das Duell gestarteter Schachfreund Suad im 36. Zug ein, daß ihn sein spielstarker Kontrahent nach allen Regeln der Kunst souverän positionell überspielt hatte. Bei noch immer materiellem Gleichstand streckte Suad die Waffen und gab auf. Gleichwohl bekam er reichlich anerkennend-aufbauende Worte seines Gegners für die gezeigte Partie, was schließlich auch nicht so oft vorkommt.
Der Chronist hatte es als Nachziehender ebenfalls mit einem "Königsinder" zu tun bekommen, allerdings mit der Fianchetto-Variation (Uhlmann-Szabo-System). Im 11. Zug und bemüht, nicht wie so oft zu viel Zeit bereits für den Partieanfang zu verbraten, machte ich in scheinbar eher langweiliger Stellung einen "natürlichen" Zug. Der Trost, daß die Lichess Masters Database auch zwei Spieler auf dem Meisterlevel aufführt, welche in dieselbe Eröffnungsfalle getapst waren, hilft auch nachträglich nicht darüber hinweg, daß die Partie ab da im Grunde schon weitestgehend für mich gelaufen war.
Ich trachtete fortan mit Minusqualität danach, die Stellung maximal-möglich geschlossen zu halten. Den weißen Fianchettoläufer sollte eine schwarze Bauernkette von h7 bis e4 von der Teilnahme am weiteren Geschehen möglichst lange ausschließen (diesbezüglich spielte mein Gegner dankenswerterweise mit) und am Damenflügel führte ich eine Bauernstruktur herbei, die es einzig meinem Springer ermöglicht hätte, dort einzudringen und Unruhe zu stiften (was mein Kontrahent jedoch leider unbewußt durch seine Angriffsbemühungen zu unterbinden wußte). Die einzig offene d-Linie verrammelte ich mit König, Läuferpaar und Springer nach Kräften, um ein Eindringen der verdoppelten Türme meines Gegners idealerweise zu verhindern.
Seinen ersten diesbezüglichen Versuch vermochte ich noch abzuwehren, indem sich mein schwarzfeldriger Läufer beharrlich einem Abtausch verweigerte. Der zweite weiße Versuch, unter Rückgabe der Qualität einzudringen, war dann leider nicht mehr abzuwenden. Doch um die korrekte Verwertung des sich daraus ergebenden Stellungs- und Materialvorteils (ein, zwei Bauern würde ich hernach unweigerlich verlieren) kam mein Gegner herum. Meine angestrengten Verteidigungsbemühungen hatten mich letztendlich zu viel Bedenkzeit gekostet, sodaß ich zwei Züge vor Erreichen der entsprechenden Kontrolle auf Zeit verlor. Einerseits verständlich (wegen der zeitlichen Planbarkeit) und andererseits genauso bedauerlich, daß beim Troisdorf Open ohne Inkrement gespielt wird. C'est la vie.
Frank Feig
Während sich unsere erste und zweite Mannschaft mit solch Ärgernissen wie dem Kampf um den Klassenerhalt befassen müssen, kann unsere dritte Mannschaft vollkommen befreit aufspielen. Unter dem Motto "Fördern und fordern" treten und traten wir immer mit dem Ziel an, insbesondere der Jugend eine Bühne zu geben, Turniererfahrung zu sammeln und sich weiterzuentwickeln. Beim Auswärtsspiel bei der dritten Mannschaft der SG Siebengebirge am Sonntag, den 03. Dezember 2023 verzichteten Fred und Hans-Peter gleich beide auf einen Einsatz. Dmitrij und Silas bekamen auch mal eine Pause. Sodass Marlin in seinem ersten Saisonspiel bis auf Brett 1 aufrückte.
Wie in der Kreisklasse üblich waren die ersten paar Bretter dann auch entsprechend früh entschieden. Suad gewann an Brett 5 nach bereits zehn Zügen durch Schachmatt. Er spielte das Schottische Gambit. In der gewählten Variante war der Einschlag auf f7 zwar überzogen, aber seine Gegnerin reagierte falsch und stolperte geradewegs in Suads Matt mit Dame und Springer auf f7 hinein. 1:0
Der Ausgleich für Siebengebirge sollte aber nicht lange auf sich warten lassen. Daniel verstieß an Brett 4 gegen eine der wichtigsten Regeln beim Übergang zwischen Eröffnung und Mittelspiel. Diejenige Seite, die besser bzw. vollständig entwickelt ist, öffnet das Spiel, nicht jene, die Entwicklungsrückstand hat. Zweiteres tat bedauerlicherweise Daniel, der das Zentrum aufriss, obwohl er bei der Mobilisierung seiner Figuren deutlich hinten dran war und auch seinen König noch nicht in Sicherheit gebracht habe. Das Spielgeschehen war in der Folge sehr einseitig. Daniel hatte dem Angriff seines Gegners nichts entgegenzusetzen und wurde im 17. Zug Schachmatt gesetzt. 1:1
Ralf bekam ebenfalls seinen ersten Einsatz diese Saison. An Brett 6 führte er als Auswärtsspieler die schwarzen Steine. Zur Entwicklungsphase ist nicht viel zu sagen. Beide Seiten entwickelten sich zügig, wenngleich nicht unbedingt aktiv und zwingend. Ab dem 20. Zug kam es gefühlt wie durch Zauberhand zur Öffnung aller Linien auf dem Brett. Ralf stand zu diesem Zeitpunkt etwas besser und konnte durch seine Figurenaktivität und einen taktischen Überseher seines Gegners zuerst einen Turm und dann die Dame für einen Turm gewinnen. Im Endspiel verblieb er also mit einer Mehrdame. Nach ein paar weiteren Damenschachs konnte er durch eine Gabel den verbliebenen Turm gewinnen. Sein Gegner gab 32. Zug auf. 2:1
Tim spielt bisher eine außergewöhnliche Saison. Zusammen mit seinen Resultaten in der U16 Mannschaft stand er vor dem Spieltag bei 4 Siegen aus 4 Spielen und wir waren gespannt wie er sich an Brett 2 schlagen würde. Nach den ersten Zügen hatte ich, um ehrlich zu sein, kein gutes Gefühl. Sein Gegner eröffnete mit dem Königsgambit und Tim reagierte mit dem sehr dubiosen Zug De7, um den e5-Bauern zu verteidigen. Auch seine anschließende Eröffnungsbehandlung bereitete mir einiges Kopfzerbrechen. Im 8. Zug rochierte Tim lang und lief prompt in eine Bauerngabel seines Gegners, die ihn eine Figur kostete. Und damit fingen Tims Probleme erst so richtig an- Bei entgegengesetzten Rochaden ergriff sein Gegner zuerst die Initiative und startete einen Bauernsturm am Damenflügel. Scheinbar kurz vor seinem Ziel angekommen, zog er seine Dame nach d5. Dieses Feld kontrollierte Tim allerdings just mit seinem Springer und gab diesen nur allzu gerne im Tausch für die Dame ab. Vollkommen aus dem Tritt gebracht, brachte sich nunmehr sein Gegner in immer größer werdende Schwierigkeiten und gab schließlich auf, nachdem er auch noch einen Turm verloren hatte und ein weiterer Figurenverlust - oder zwei - nicht mehr abzuwenden war(en). Vollkommen unerwartet 3:1
Wir brauchten nur noch insgesamt ein Remis von Alexander oder Marlin zum Mannschaftssieg. Bedauerlicherweise sah es zu diesem Zeitpunkt an keinem der Bretter gut aus. Alexander hatte mit dem Mittelgambit eröffnet. Kein schwerwiegender Fehler, aber doch zumindest eine Ungenauigkeit, wenn man was zu bemängeln sucht. Er spielte sich erstmal noch ziemlich solide durch die Eröffnung, aber suchte dann ähnlich wie Daniel zu früh die Entscheidung im Zentrum. Sein Gegner widerlegte ihm diese Idee mehr oder minder zwingend und wenig später landete Alexander in einem - aus seiner Sicht - unschönen Endspiel. Erst verschlechterte sich seine Bauernstruktur am Königsflügel dramatisch, dann überließ er seinem Gegner die einzige offene Linie auf dem Brett. Als er dann einen Bauern verlor, und sowohl die Türme als auch die Läufer tauschte, war das Bauernendspiel unmöglich zu halten. Sein Gegner brachte ihn in Zugzwang, wonach Alexander keine andere Wahl gehabt hätte als den König seines Gegners entscheidend eindringen zu lassen. Er gab stattdessen auf. 3:2
Damit waren alle Augen auf Marlin an Brett 1 gerichtet. Er spielte gegen Emma Borriss und wer wie ich schon gegen jemanden dieser schachbegeisterten Familie gespielt hat, weiß, das wird kein Zuckerschlecken. Beginnend mit dem Londoner System wirkte Marlins Aufbau zunächst sehr solide. Einige Entscheidungen erschlossen sich mir in der Analyse allerdings nicht. Ähnlich wie Daniel und Alexander entwickelte er sich nicht zu Ende bevor er die Öffnung des Zentrums anstrebte, beziehungsweise wich fast vollständig vom Plan der Eröffnung ab - was ihn auch bald in einige Schwierigkeiten brachte. Zuerst verlor er einen Bauern im Zentrum und durch seinen Entwicklungsrückstand war es auch nicht einfach Emmas Angriff abzuwehren. Zugute kam ihm zu seinem Glück, der vergleichsweise kurze Zeitmodus und der beiderseitige Zeitverbrauch. Eine kleine Kombination hätte seiner Gegnerin eine glatte Mehrfigur eingebracht. Zu unserem Glück sah sie diese nicht und begnügte sich mit Abtäuschen. Jetzt hätte wie aus dem Nichts Marlin einen gefährlichen Königsangriff starten können, übersah diesen aber ebenfalls und kam bald darauf wieder selbst in Turbulenzen. Er verlor einen zweiten Bauern und hätte in einer fairen Welt vermutlich verloren. In hochgradiger Zeitnot zog seine Gegnerin allerdings ihre Dame geradewegs in einen Springerabzug von Marlin. Schwupps war diese weg und der Sieg für Marlin perfekt. Endlich ein Seidel, der sich gegen Familie Borriss über einen vollen Punkte freuen kann!
Martin Seidel
...die wollten beim Troisdorf Open mitspielen. In der 3. Runde waren's nur noch drei. Naja, zum Glück nicht ganz. Peter hat sich noch nicht vollständig erholt und deswegen tatsächlich komplett zurückgezogen, ohne eine einzige Partie absolviert zu haben. Echt dumm gelaufen, weiterhin gute Genesung! Unser verbleibendes Sextett brachte in Runde 3 dann jedoch tatsächlich das Kunststück fertig, an drei von insgesamt sieben kampflos entschiedenen Partien des Spieltags beteiligt zu sein. Siebenmal "kampflos" bei insgesamt 32 angesetzten Paarungen ist schon heftig - die Erkältungszeit hat ganz offensichtlich mit Macht begonnen.
Harald hatte sich in Runde 2 anscheinend zu früh wieder "rausgewagt". Entweder hat er danach einen Rückfall durch "seine" Bakterien oder Viren erlitten oder sein noch geschwächtes Immunsystem wurde umgehend von einer Angriffswelle "neuer" Keime überrannt. Jedenfalls mußte er sein Kommen absagen. Bei Silas war es "höhere Gewalt" in Gestalt seiner Mutter, welche kurzfristig umdisponiert hatte und ihren Geburtstag doch nicht nachfeiern wollte. Da mußte der Sohnemann leider die dritte Niederlage in Serie - diesmal kampflos - quittieren. Lukas gewann demgegenüber kampflos, weil sein Gegner kurzfristig krank darnieder lag, was Lukas weniger begeisterte. Er will schließlich nur spielen.
Einer der drei verbliebenen Hennefer, die sich tatsächlich noch mit einem Kontrahenten duellieren durften, war Suad. Er hatte seinen Stift vergessen – nach Ansicht von Martin der erste Fehler und das noch vor Beginn der Partie – und dachte zudem, er hätte die schwarzen Steine, da er in der Runde zuvor Weiß gehabt hatte. Ein etwas genauerer Blick auf die Auslosung wäre da hinsichtlich der Eröffnungsvorbereitung sicher zuträglicher gewesen. Vom Doktortitel seines Gegners war Suad eigener Aussage zufolge nicht beeindruckt, wohl aber ein wenig von dessen nomineller Spielstärke. Wieder bekam Suad nicht die gewünschte Eröffnung aufs Brett und so war ihm ob der Züge seines Gegenübers zunächst doch ein wenig mulmig zumute. Er dachte, sein Gegner verfolge einen Plan, den er vermutlich mangels ausreichender Spielstärke nicht verstünde. Nach und nach reifte dann bei Suad jedoch die Erkenntnis, daß sein Kontrahent möglicherweise doch nicht so genial wäre und sich einfach etwas positionellen Quark zusammenspielte, wie er es nonchalant ausdrückte. Schon nach 17 Zügen bot Suads Gegner zu dessen Überraschung das Remis an und Suad griff nach kurzer Überlegung beherzt zu. Sein Kontrahent hatte, wie sich im Nachgang herausstellte, Suads Partien aus den vorherigen Runden analysiert und ob dessen gezeigter Spielweise ein wenig Muffensausen bekommen. Da Suad zu jenem Zeitpunkt nach Analyse der Engine bereits besser stand (die beste Fortsetzung jedoch nicht gefunden hätte, wie Suad unumwunden zugab), wollte er das Verlustrisiko minimieren. Suad wiederum befürchtete, er könne sich bei Fortsetzung der Partie genausogut noch um die Früchte seines bisherigen Spiels bringen und ein Remis gegen einen Gegner mit über 350 Punkten besserem Rating stünde ihm hinsichtlich seiner Ambitionen sicher nicht schlecht zu Gesicht. In Runde 4 wartet nun ein Gegner auf Suad, der sogar eine über 600 Punkte bessere Wertung aufweist. Der Weg zu den Sternen ist halt mit harten Prüfungen gepflastert. Bis hierhin jedenfalls kann Suad mit seiner gezeigten Leistung beim Troisdorf Open zufrieden sein (und ist es auch) und in der kommenden Runde kann er dann ganz befreit aufspielen. Zu verlieren hat er schließlich nichts. Suad kann nur gewinnen - und sei es schlimmstenfalls auch nur an Erfahrung.
Diese luxuriöse Ausgangslage hat Martin schon lange nicht mehr. Nach dem bitteren Remis in Runde 2 wollte er diesmal unbedingt einen Sieg einfahren, um den Anschluß an die Tabellenspitze nicht zu verlieren. Da er wußte, daß sein Gegner eigentlich stets mit d4 beginnt, bereitete Martin das äußerst aggressive Wolga-Benkö-Gambit vor. Sein Kontrahent tat ihm auch prompt den Gefallen und ging darauf ein, wonach Martin seine Vorbereitung vollumfänglich ausspielen konnte. Bis zum 13. Zug folgten beide der Eröffnungsdatenbank, dann wich Martin als erster ab. Obwohl auch sein Opponent immer einen der theoretisch besten Züge fand, konnte Martin sich solchermaßen doch wenigstens einen beträchtlichen Vorteil auf der Uhr verschaffen.
Im 19. Zug sollte er dann die erste von insgesamt nur zwei Chancen in der gesamten Partie bekommen, ernsthaft in Vorteil zu gelangen. Martin wollte die b-Linie nicht durch Weglenkung des dortigen Bauern öffnen, sondern durch Schlagen desselben. Anders herum wäre besser gewesen. Drei Züge später öffnete sich die Tür zum Schwarzsieg bereits zum letzten Mal in dieser Begegnung einen Spalt breit. Sollte Martin den b-Bauern zurückgewinnen, indem er mit dem Turm oder mit dem Läufer schlägt? Nimmt der Turm, befürchtete Martin in temporärer geistiger Umnachtung ein Mattproblem für seinen König oder den Verlust seines Läufers - und schlug deswegen mit dem Läufer. Dahin war nun jeglicher Vorteil. Im 30. Zug bot Martins Kontrahent Remis an, welches Martin nach zehn Minuten angestrengten Nachdenkens ausschlug. Zwar sah er die Gefahr, daß der weiße König eindringen würde können, doch hatte er kalkuliert, dass die Position für den Moment zu halten sein würde und im Endspiel sollte sein gedeckter c-Freibauer dem entfernten Freibauern seines Gegners auf a überlegen sein, was langfristig Chancen auf den Sieg geboten hätte. Die Engine wies in der Nachbetrachtung hingegen bereits Vorteil für Weiß aus, denn tatsächlich sollte Martin in der Folge zur Passivität verdammt sein. Als unser Jugendwart dessen vier Züge später gewahr wurde, hatte er wenigstens das Glück, daß die Zeit seines Gegners bereits bis auf wenige Sekunden abgelaufen war und so bot er seinerseits im 38. Zug – und damit kurz vor der Zeitkontrolle – die Punkteteilung an. Dies nahm seinem Kontrahenten die Gelegenheit, zwei Züge später mit neu "aufgefüllter" Bedenkzeit ernsthaft über die Stellung nachzudenken und eventuell noch einen Gewinnplan zu finden. Der nächste Nackenschlag für die Ambitionen unseres Aushängeschildes bei diesem Open, aber besser clever ein Remis gesichert als am Ende gar noch zu verlieren. In der 4. Runde kommt es daher - für beide Beteiligten leider, möchte man konstatieren - zum nächsten Hennefer Vereinsduell. Lukas ist schon wieder betroffen und wird dann die undankbare Aufgabe vorgesetzt bekommen, sich mit den schwarzen Steinen der Angriffsbemühungen seines Trainers erwehren zu müssen. Wird sicher mega spannend.
Damit bleibt noch, über mein eigenes Abschneiden zu berichten. Mit Weiß baute ich mich mit einem Doppelfianchetto auf, mein Gegner wählte dagegen einen altindischen Aufbau. Im Ergebnis meckerte die Engine über die weitere Eröffnung bis hinein ins Mittelspiel, daß ich den Bauernvorstoß nach e4 unterließ (um mir den Läufer auf g2 nicht zu verstellen und schwarze Aktivitäten am Damenflügel zu stören) bzw. mein Kontrahent analog auf d5 verzichtete. Er hopste stattdessen in ausgedehnten Manövern mit seinen Springern am Königsflügel herum, ohne groß etwas zu bewirken. Okay, ich mußte meine Leichtfiguren um meinen Monarchen scharen, aber dies war ohnehin beabsichtigt, um zu gegebener Zeit im Zentrum und am Königsflügel vorzurücken. Ich suchte nach entsprechender Vorbereitung endlich mit d4 den meinerseits angestrebten Raumgewinn und die Erwiderung d5 sollte nach einem inkorrekten Läufer-Teilrückzug des Schwarzen letztlich eben jenen d5-Bauern kosten. Nach 27. e4 hatte ich plötzlich ein Idealzentrum (d4 & e4), die Engine war auch endlich happy. Anstatt aber nun einfach weiter den Druck zu verstärken, meinte ich, den schwarzen Läufer auf f6 mittels des Bauernzugs nach e5 final einsperren und erobern zu können. Leider hatte ich übersehen, daß ein Zurückschlagen mit dem d-Bauern an einer gerade noch rechtzeitig erfolgten Fesselung meiner Dame scheitern würde. Ich hatte reflexhaft zu schnell gezogen und dadurch mal wieder einzügig eine Gewinn- in eine Verluststellung transferiert. In den folgenden Zügen konterten beide Seiten die Patzer des Gegners mit eigenen vergleichbarer Güte. Allerdings sollte hierbei Berücksichtigung finden, daß beide Seiten nun bereits in arger zeitlicher Bedrängnis agierten. Ich spielte bewußt optisch kraftvoll und ritt mich doch immer tiefer in die Tinte. Mein Gegner hatte bereits mit dem 19. und nochmals mit dem 30. Zug Remis geboten - und beim zweiten Mal stand er objektiv gesehen bereits besser. Bevor ich es wie Martin machte und mit meinem 33. Zug nun meinerseits die Punkteteilung anbot, hatte mein Kontrahent sein verbleibendes Zeitkontingent auf unter 4 Minuten gedrückt, ich hatte aber auch nur noch knapp 7 Minuten. Oberflächlich sah meine Stellung noch voller Chancen aus, doch das Urteil der Engine in der Analyse war vernichtend. Schwarz stand glasklar auf Gewinn - war aber augenscheinlich glücklich über meine Remisofferte und schlug ohne viel nachzudenken umgehend ein. Da dürfte sich mittlerweile jemand schwer ärgern, schätze ich.
In der Gesamtschau hatten die drei Hennefer, deren Gegner zum Kampf angetreten waren, letztlich allesamt jeden Grund, sich über ihr jeweiliges Unentschieden zu freuen. Suad, weil er nicht nachweisen mußte, daß er seinen Stellungsvorteil gegen einen nominell besseren Kontrahenten bis ins Ziel würde bringen können. Martin und ich, weil wir beide unsere jeweiligen Gegner in Zeitnot überzeugend davon hatten abbringen können, ihre jeweils vorteilhafte Position nach der Zeitkontrolle in einen vollen Punkt ummünzen zu wollen. Mal sehen, wer in Runde 4 alles am Brett erscheint und wie es unserer Truppe dann ergehen wird. Wir stehen vor Aufgaben mit ziemlich weit gestreuten Erfolgsaussichten. Von abgestuftem "alles ist möglich" (Martin, Lukas, Frank, Harald und Silas) bis "Himmel hilf" (Suad). Bekanntermaßen jedoch steht es an jedem Brett zu Beginn grundsätzlich immer "nur" unentschieden.
Frank Feig