Am 22. Oktober 2023 trat unsere 2. Mannschaft zum zweiten Spieltag der Saison 2023/24 an. Dieses Mal waren sie zu Gast bei der 5. Mannschaft des Godesberger SK. Da dieser Gegner, rein von der nominellen Spielstärke, neben uns eine der Mannschaften stellt, die wahrscheinlich gegen den Abstieg werden anspielen müssen, hatte sich unsere „Zweite“ vorgenommen, den direkten Vergleich für sich zu entscheiden. Unterstützt wurde sie dabei von Lukas Keller. Wie sich später noch herausstellen sollte, war es eine gute Idee von Frank und Peter, solchermaßen einem unserer jungen Talente, Gelegenheit zu geben, sich zu beweisen und zu scheinen. 

Zur allgemeinen Verwunderung vermasselte Rabia die Eröffnung zunächst mal gewaltig und konnte sich glücklich schätzen, dass sein Gegner im 15. Zug die mutmaßlich entscheidende taktische Möglichkeit ausließ. Im Laufe des Mittelspiels schlug das Pendel mal zur einen, dann wieder zur anderen Seite aus. Im Materialmodus gefangen, schnappte sich Rabias Gegner im 20. Zug den angebotenen vergifteten Turm für seinen Springer auf g3, welcher allerdings die wichtige Aufgabe hatte, der gegnerischen Dame wichtige Felder wegzunehmen. Rabia, jetzt ganz in seinem Element, drang mit Dame, Läufer und dem verbliebenen Turm ein. Einzig die abschließende Taktik übersah er. Mit einem spektakulären Damenopfer hätte er Vereinfachungen erzwingen und dabei sogar einen Läufer gewinnen können. Plötzlich war die Stellung unklar, knapp 10 Züge später tappte Rabias Gegners jedoch in eine Falle und verlor durch eine Fesselung seine Dame gegen einen Turm. Das Endspiel brachte Rabia anschließend routiniert zu Ende. 1:0

An Brett 8 spielte Lukas mit den schwarzen Steinen und wartete geduldig auf die Fehler seines Gegners. Eine erste Chance bekam er im 11. Zug, konnte diese aber noch nicht nutzen. Als sein Gegner die Drohung aber nicht erkannte und fehlgriff, war Lukas zur Stelle und gewann einen wichtigen Bauern im Zentrum. Die Springermanöver waren zwar mitnichten das Optimum, aber das ist letztlich Meckern auf hohem Niveau. Auch die nächste taktische Gelegenheit nutzte Lukas. So gewann er nach einem von seinem Gegner nicht zu Ende gedachten Springerzug eine Qualität. Im Endspiel kam er jedoch nochmal in Bedrängnis. Zweimal sah es kurz so aus, als würde er das Spiel noch verloren. Das empfand wohl auch sein Gegner so, der beide Male ein mögliches Remis durch Stellungswiederholung vermied. Lukas verteidigte sich jedoch hervorragend und konnte den gefährlichen c-Freibauern schließlich einsammeln und kurz darauf den vollen Punkt einstreichen. 2:0

Sebastian stand in der Eröffnung zunächst spitze, allerdings zeigte der unorthodoxe Aufbau seines Gegners schon bald Wirkung. Nach ein paar fragwürdigen Zügen von Sebastian tappte er in eine schöne Taktik bestehend aus Qualitätsopfer, Hinlenkung und Gabel, die Sebastian seine Dame kosten sollte. Er kämpfe zwar noch bis zum 36. Zug, konnte den materiellen Nachteil aber nicht kompensieren und gab, angesichts des unausweichlichen Matts, auf. 2:1

Robin probierte mal etwas Neues aus und wählte in der Italienischen Partie den Zug 3. … Sf6. Sein Gegner hob den Fehdehandschuh auf und leitete mit 4. Sg5 in den „Fried-Liver-Attack“ über. Robin, offensichtlich gut vorbereitet, wehrte die Drohungen zunächst gekonnt ab, kam nach einem ungewöhnlichen Läuferrückzug jedoch bald ins Straucheln. Im 20. Zug hatte er dann Glück, dass auch sein Gegner keine Komplikationen sondern ruhigeres Fahrwasser suchte. Nach fünf weiteren Zügen war die Stellung so weit verflacht, dass sich beide Seiten auf Remis einigten. 2,5:1,5

In Friedrichs aka Fritz’ Partie passierte, was bei ihm eigentlich immer passiert: Angriff bis aufs Blut, plötzlich wird er mit einem Gegenangriff konfrontiert, wehrt diesen ab, so gut es geht, und greift alsbald selbst wieder an. In diesem Fall in Kombination mit einem Qualitätsopfer, um anschließend noch einen Bauern zu gewinnen. Als er jedoch danach den Damentausch zuließ, stand er glatt auf Verlust. Es brauchte nur einen unaufmerksamen Turmzug seines Gegners und Fritz konnte ihn zur Rückgabe der Qualität zwingen. Im 39. Zug schüttelten sich beide Seiten in einem objektiv ausgeglichenen Endspiel die Hände. Noch ein Remis. 3:2

Als Mannschaftsführer ist man natürlich ganz besonders motiviert, etwas zum Ergebnis beizutragen und so ging Peter auch zu Werke. Warum beide Seiten nacheinander ohne Not auf ihre Läuferpaare verzichteten, erschließt sich mir zwar nicht, aber schaden sollte es Peters Stellung zunächst nicht. Auch nach langer Analyse ist mir immer noch nicht ganz klar, wann die Partie kippte, aber letztlich verschlechterte sich Peters Stellung zusehends. Als die Lage schon hoffnungslos wirkte, opferte Peter seinen Springer für drei Bauern. Bedauerlicherweise reichte dies am Ende nicht. Sein Gegner konnte auf der g-Linie mit einer Schwerfigurenbatterie eindringen und Peter im 45. Zug zur Aufgabe zwingen. Zu seiner Ehrenrettung sei erwähnt, dass er in schwieriger Position immer noch viele starke Züge fand, es war aber schon zu spät. 3:3

Also alles wieder auf Anfang. Frank bekam in seiner Partie nur eine Großchance, als sein Gegner im Londoner System den weißen Damenausflug nach b3 fälschlicherweise mit b6 anstelle von Db6 abwehrte. Durch diesen ungewöhnlichen Zug schwächte er jedoch nachhaltig das Feld a6 und hätte einige Male durch das Manöver Lf1-a6-b7 die Qualität verlieren können. Doch auch Frank übersah diese Möglichkeit und sollte kein zweites Mal eine derartige Gelegenheit bekommen. Bereits im 20. Zug geriet er allmählich in Zeitnot, ein Problem, das sich Stück für Stück zuspitzte. Im 29. Zug konnte er schließlich den Gewinn eines Bauern auf der Haben-Seite verbuchen, allerdings war zu diesem Moment schon derart viel Material vom Brett verschwunden, dass die Verwertung nicht einfach sein würde. Und dann war da noch das Zeitproblem: Im 32. Zug und mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr, entschied er sich, den Tausch der Türme zuzulassen und ins ungleichfarbige Läuferendspiel mit Mehrbauer zu überführen, um jegliches Verlustrisiko aus der Stellung zu nehmen. Nach Erreichen der Zeitkontrolle bot ihm sein Gegner Remis an, als sich herausstellte, dass er Frank nicht über die Zeit hatte heben können, worauf er die ganze Zeit spekuliert hatte. Frank lehnte dankend ab. Er versuchte noch wirklich alles und wie sich in der Analyse beim Montagstraining herausstellte, wäre z.B. ich noch in eine Falle getappt. Sein Gegner tat ihm diesen Gefallen allerdings nicht und so willigte Frank nach 56 Zügen ins Remis ein. 3,5:3,5

Über Haralds Partie kann ich an dieser Stelle leider nicht allzu viel sagen, da mir die Notation nicht vorliegt und so greife ich auf das zurück, was ich von ihm, Frank und Peter vernommen habe: Er stand lange gedrückt, verlor einen Bauern, konnte sich aber schließlich in einem langen und beschwerlichen Endspiel behaupten und den halben Punkt festhalten. Zum Ende hin hätte er sogar mit Läufer und Bauer gegen Bauer fast noch gewinnen können. 4:4

Lobend sei an dieser Stelle noch der Teamspirit unserer „Zweiten“ erwähnt. Obwohl einige schon seit geraumer Zeit mit ihren Partien fertig waren, blieben alle bis zum Ende und sorgten damit für moralischen Beistand. Auch in einem Sport wie Schach, der oftmals fälschlicherweise als reine Einzeldisziplin verschrien ist, kann das enorm hilfreich sein. Nachdem sie dem Gegner sogar noch beim Abbau geholfen hatten, fuhr unser Team mit einem von zwei möglichen Mannschaftspunkten nach Hause. Ein besonderer Dank an dieser Stelle geht raus an Frank und Peter, die mich mit ihren Eindrücken vom Geschehen versorgten und maßgeblich zu diesem Artikel beigetragen haben.


Martin Seidel