Während sich unsere erste und zweite Mannschaft mit solch Ärgernissen wie dem Kampf um den Klassenerhalt befassen müssen, kann unsere dritte Mannschaft vollkommen befreit aufspielen. Unter dem Motto "Fördern und fordern" treten und traten wir immer mit dem Ziel an, insbesondere der Jugend eine Bühne zu geben, Turniererfahrung zu sammeln und sich weiterzuentwickeln. Beim Auswärtsspiel bei der dritten Mannschaft der SG Siebengebirge am Sonntag, den 03. Dezember 2023 verzichteten Fred und Hans-Peter gleich beide auf einen Einsatz. Dmitrij und Silas bekamen auch mal eine Pause. Sodass Marlin in seinem ersten Saisonspiel bis auf Brett 1 aufrückte. 

Wie in der Kreisklasse üblich waren die ersten paar Bretter dann auch entsprechend früh entschieden. Suad gewann an Brett 5 nach bereits zehn Zügen durch Schachmatt. Er spielte das Schottische Gambit. In der gewählten Variante war der Einschlag auf f7 zwar überzogen, aber seine Gegnerin reagierte falsch und stolperte geradewegs in Suads Matt mit Dame und Springer auf f7 hinein. 1:0

Der Ausgleich für Siebengebirge sollte aber nicht lange auf sich warten lassen. Daniel verstieß an Brett 4 gegen eine der wichtigsten Regeln beim Übergang zwischen Eröffnung und Mittelspiel. Diejenige Seite, die besser bzw. vollständig entwickelt ist, öffnet das Spiel, nicht jene, die Entwicklungsrückstand hat. Zweiteres tat bedauerlicherweise Daniel, der das Zentrum aufriss, obwohl er bei der Mobilisierung seiner Figuren deutlich hinten dran war und auch seinen König noch nicht in Sicherheit gebracht habe. Das Spielgeschehen war in der Folge sehr einseitig. Daniel hatte dem Angriff seines Gegners nichts entgegenzusetzen und wurde im 17. Zug Schachmatt gesetzt. 1:1

Ralf bekam ebenfalls seinen ersten Einsatz diese Saison. An Brett 6 führte er als Auswärtsspieler die schwarzen Steine. Zur Entwicklungsphase ist nicht viel zu sagen. Beide Seiten entwickelten sich zügig, wenngleich nicht unbedingt aktiv und zwingend. Ab dem 20. Zug kam es gefühlt wie durch Zauberhand zur Öffnung aller Linien auf dem Brett. Ralf stand zu diesem Zeitpunkt etwas besser und konnte durch seine Figurenaktivität und einen taktischen Überseher seines Gegners zuerst einen Turm und dann die Dame für einen Turm gewinnen. Im Endspiel verblieb er also mit einer Mehrdame. Nach ein paar weiteren Damenschachs konnte er durch eine Gabel den verbliebenen Turm gewinnen. Sein Gegner gab 32. Zug auf. 2:1

Tim spielt bisher eine außergewöhnliche Saison. Zusammen mit seinen Resultaten in der U16 Mannschaft stand er vor dem Spieltag bei 4 Siegen aus 4 Spielen und wir waren gespannt wie er sich an Brett 2 schlagen würde. Nach den ersten Zügen hatte ich, um ehrlich zu sein, kein gutes Gefühl. Sein Gegner eröffnete mit dem Königsgambit und Tim reagierte mit dem sehr dubiosen Zug De7, um den e5-Bauern zu verteidigen. Auch seine anschließende Eröffnungsbehandlung bereitete mir einiges Kopfzerbrechen. Im 8. Zug rochierte Tim lang und lief prompt in eine Bauerngabel seines Gegners, die ihn eine Figur kostete. Und damit fingen Tims Probleme erst so richtig an- Bei entgegengesetzten Rochaden ergriff sein Gegner zuerst die Initiative und startete einen Bauernsturm am Damenflügel. Scheinbar kurz vor seinem Ziel angekommen, zog er seine Dame nach d5. Dieses Feld kontrollierte Tim allerdings just mit seinem Springer und gab diesen nur allzu gerne im Tausch für die Dame ab. Vollkommen aus dem Tritt gebracht, brachte sich nunmehr sein Gegner in immer größer werdende Schwierigkeiten und gab schließlich auf, nachdem er auch noch einen Turm verloren hatte und ein weiterer Figurenverlust - oder zwei - nicht mehr abzuwenden war(en). Vollkommen unerwartet 3:1

Wir brauchten nur noch insgesamt ein Remis von Alexander oder Marlin zum Mannschaftssieg. Bedauerlicherweise sah es zu diesem Zeitpunkt an keinem der Bretter gut aus. Alexander hatte mit dem Mittelgambit eröffnet. Kein schwerwiegender Fehler, aber doch zumindest eine Ungenauigkeit, wenn man was zu bemängeln sucht. Er spielte sich erstmal noch ziemlich solide durch die Eröffnung, aber suchte dann ähnlich wie Daniel zu früh die Entscheidung im Zentrum. Sein Gegner widerlegte ihm diese Idee mehr oder minder zwingend und wenig später landete Alexander in einem - aus seiner Sicht - unschönen Endspiel. Erst verschlechterte sich seine Bauernstruktur am Königsflügel dramatisch, dann überließ er seinem Gegner die einzige offene Linie auf dem Brett. Als er dann einen Bauern verlor, und sowohl die Türme als auch die Läufer tauschte, war das Bauernendspiel unmöglich zu halten. Sein Gegner brachte ihn in Zugzwang, wonach Alexander keine andere Wahl gehabt hätte als den König seines Gegners entscheidend eindringen zu lassen. Er gab stattdessen auf. 3:2

Damit waren alle Augen auf Marlin an Brett 1 gerichtet. Er spielte gegen Emma Borriss und wer wie ich schon gegen jemanden dieser schachbegeisterten Familie gespielt hat, weiß, das wird kein Zuckerschlecken. Beginnend mit dem Londoner System wirkte Marlins Aufbau zunächst sehr solide. Einige Entscheidungen erschlossen sich mir in der Analyse allerdings nicht. Ähnlich wie Daniel und Alexander entwickelte er sich nicht zu Ende bevor er die Öffnung des Zentrums anstrebte, beziehungsweise wich fast vollständig vom Plan der Eröffnung ab - was ihn auch bald in einige Schwierigkeiten brachte. Zuerst verlor er einen Bauern im Zentrum und durch seinen Entwicklungsrückstand war es auch nicht einfach Emmas Angriff abzuwehren. Zugute kam ihm zu seinem Glück, der vergleichsweise kurze Zeitmodus und der beiderseitige Zeitverbrauch. Eine kleine Kombination hätte seiner Gegnerin eine glatte Mehrfigur eingebracht. Zu unserem Glück sah sie diese nicht und begnügte sich mit Abtäuschen. Jetzt hätte wie aus dem Nichts Marlin einen gefährlichen Königsangriff starten können, übersah diesen aber ebenfalls und kam bald darauf wieder selbst in Turbulenzen. Er verlor einen zweiten Bauern und hätte in einer fairen Welt vermutlich verloren. In hochgradiger Zeitnot zog seine Gegnerin allerdings ihre Dame geradewegs in einen Springerabzug von Marlin. Schwupps war diese weg und der Sieg für Marlin perfekt. Endlich ein Seidel, der sich gegen Familie Borriss über einen vollen Punkte freuen kann!


Martin Seidel